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  • © Jan Schabert
  • © Michael Heinrich
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Sofortprogramm Leichtbauhallen, München

Die temporäre Halle ist ein Fertigprodukt, der Innenausbau wurde dagegen eigens für die erschwerten Bedingungen einer Massenunterkunft von einem Architekten entworfen.
Preisträger Berlin Award 2016 Heimat in der Fremde.

Status
Fertiggestellt

Art der Bewohner
Asylbewerber

Anzahl der Bewohner
230

Moduleinheiten
3 Leichtbauhallen + Container

Bauverfahren
Halle / Zelt

Land
Germany

Wohnfläche pro Person (m²/Person)
9,00

Architekt
Jan Schabert (günther & schabert Architekten), München

Auftraggeber
Landeshauptstadt München, Kommunalreferat, Baureferat Hochbau (Projektleitung)

Ausführende Firma
Eschenbach Zeltbau Container: IQ-box, Filippi, Finsterwalder Innenausbau: Zimmerei Höfle, Die Huber-Schreiner

Winterfeste Leichtbauhallen sind ein Teil des Sofortprogramms der Stadt München zur Überbrückung der Unterbringungsnot. Knapp 20 Hallen sind derzeit über die Stadt verteilt geplant oder bereits gebaut, zusätzlich zur Umnutzung von Kasernen und anderen Bestandsgebäuden, in denen ein Großteil der 20.000 in München aufgenommenen Flüchtlinge wohnt. Das Büro günther & schabert hat für die Stadt München Machbarkeitsstudien für 17 Standorte erarbeitet, an drei Orten wurde es mit der Ausführung beauftragt. Dabei ging es den Architekten vor allem darum, einen rigiden Lagercharakter zu vermeiden. „Wir wollen kein gutes deutsches Lager bauen“, so Jan Schabert, „trotz der zeitlichen Begrenzung auf zwei Jahre sollte Wert auf Raumqualität gelegt werden, städtebaulich und im Innenraum.“ 
Auf dem suburban gelegenen Standort an der Max-Pröbstl-Straße im Stadtteil Daglfing sind drei Schneelasthallen und 42 Container angeordnet: Zwei „Wohn- und Schlafhallen“ mit jeweils 116 Betten rahmen eine „Cateringhalle“, 15 Sanitärcontainer mit Arztpraxis docken direkt an die Hallen an, Büro- und Lagercontainer reihen sich entlang der Straße auf. Die Umrüstung der Hallen zur Wohnnutzung erwies sich als Kraftakt: Die 17,5 mal 51 Meter großen Systembauten werden normalerweise als Festzelte genutzt, ohne wohntauglichen Fußboden, ohne Fenster. Die Architekten planten einen gedämmten Fußboden aus Holzbohlen mit Glasschaumschotterschüttung, zudem Vordächer als Verbindung zu den Sanitärcontainern und raumhohe Glastüren, um einen Sichtbezug zum Außenraum herzustellen – Details, die in Zusammenarbeit mit dem auf Profit und kurze Aufbauzeiten bedachten Hallenhersteller immer wieder zu Konflikten führten. Auch die Innenausstattung unterscheidet sich maßgeblich von anderen Standorten: Mit einem System aus 1,60 Meter hohen Holzwänden wurden Schlafkojen für zwei, vier und fünf Betten abgetrennt, durch die versetzte Anordnung werden Eingangsnischen gebildet und monotone Gänge vermieden. Zentraler Treffpunkt sind die „Ladebuchten“ gegenüber den Glastüren, breite Sofabänke an den Außenseiten der Kojen, wo an zahlreichen Steckdosen Handys und andere Geräte aufgeladen werden können. Um den Bewohnern ein Maximum an Mitbestimmung einzuräumen, können sie bei Einzug verschiedenfarbige Vorhänge als Türen für die Kojen aussuchen. Die Wände und Böden aus Dreischichtplatte wurden von einer Zimmerei hergestellt, die das Elementsystem derzeit unter Hochdruck für weitere Hallen produziert: Das Vorbild wird kopiert. Das Projekt führt vor Augen, wie aufwendig es ist, einen temporären Standort zu implementieren, wenn Architekten auf eine halbwegs ordentliche Behausung pochen – an anderen Orten mussten Leichtbauhallen wieder abgerissen werden, weil sie Wind und Wetter nicht standhielten.  
 
Text: Doris Kleilein 
aus: Stadtbauwelt 48.2015